MARKT-AUSBLICK/Notenbanken könnten Sommer-Rally auslösen

(Dow Jones Newswires)

Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Nun haben es die Notenbanken in der Hand: Sollten sie sich auf ihren Sitzungen nicht zu falkenhaft äußern, dürften sie den Startschuss für eine Sommer-Rally geben. Und die Chancen dafür sind gut. Im Vorfeld der Sitzungen der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank EZB gilt aber noch "Wait and See", also ein Handel des DAX in der Seitwärtsspanne zwischen 15.650 und 16.100 Punkten.

Erste Voraussetzung für einen nachhaltigen Ausbruch des DAX auf der Oberseite ist, dass die US-Notenbank die Leitzinsen am Mittwoch nicht weiter erhöht. Eine Zinspause hatte sie schon auf der letzten Sitzung angedeutet, unter anderem mit Verweis darauf, dass die Geldpolitik verzögert wirkt. Da der Markt zuletzt aber wieder zu 30 Prozent eine Zinserhöhung eingepreist hat, würde der Übergang zu einer Zinspause die Märkte nun beruhigen. Ob die Fed die Leitzinsen dann tatsächlich - wie von vielen Marktteilnehmern erwartet - statt im Juni im Juli erhöht, das werden die Notenbanker wahrscheinlich von der Entwicklung der Daten abhängig machen.

Und da werden am Dienstag die US-Verbraucherpreise voraussichtlich zeigen, dass die Inflation bereits weiter deutlich nach unten weist. Bestätigt werden sollte der Trend von sinkenden Erzeugerpreisen am Mittwoch. Zusammen mit dem jüngsten Anstieg der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe gibt der Rückgang der Inflation der Fed also voraussichtlich die notwendigen Argumente für eine nun ruhigere Gangart an die Hand.

Die EZB wird die Leitzinsen am Donnerstag um einen viertel Punkt anheben und für Juli wahrscheinlich einen weiteren Schritt signalisieren. Grund für eine allzu falkenhafte Haltung hat aber auch die EZB nicht: Laut den neuesten Daten steckt nicht nur Deutschland, sondern auch die gesamte Eurozone bereits seit dem Winterhalbjahr in einer technischen Rezession.

   Technische Rezession - aber die Gewinne steigen weiter

Und dafür schlagen sich die Unternehmen extrem gut. Die Gewinnschätzungen im DAX sind zuletzt sogar weiter gestiegen auf akkumulierte 1.413 Index-Punkte für dieses Jahr. Und für 2024 wird wieder ein leichtes Wachstum erwartet, so dass die Gewinnschätzungen weiter nach oben Richtung 1.500 Punkte weisen. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von gut 11 für 2023 und 10,5 für 2024 ist der DAX alles andere als teuer.

   Risiko: Überbetonung der Kerninflationsraten

Das Risiko besteht darin, dass sowohl die US-Notenbank als auch die EZB die rückläufigen Trends bei der Inflation sowie den Erzeugerpreisen zu niedrig gewichten und stattdessen die noch beharrlich hohen Kerninflatonsraten übergewichten. Mit der technischen Rezession in Europa, der Entspannung bei den Lieferketten, den deutlichen niedrigen Transportkosten aufgrund des Energiepreisrückgangs und dem Anstieg der US-Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe dürfte es aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die Kerninflationsraten zurückgehen.

Bleibt die japanische Notenbank. Von ihr wird eine unveränderte Geldpolitik erwartet. Zwar gibt es auch hier Befürworter einer strafferen Geldpolitik, weil die Inflationsraten zuletzt auch in Japan gestiegen sind. Andererseits kann die japanische Wirtschaft froh sein, dass im Umfeld von Coronakrise und Ukraine-Krieg drei Dekaden Deflation endlich beendet sind. Einen Rückfall in ein Deflationsszenario wird sich auch die Bank of Japan nicht leisten wollen.

   Und dann kommen Hexensabbat und Index-Revirement

Am Freitag tritt dann der Große Verfalltag an den Terminbörsen in den Fokus, der so genannte Hexensabbat mit dem Verfall der Juni-Futures, der Index-Optionen und der Optionen auf die Einzelaktien. Sollten sich die Notenbanken entsprechend den oben favorisierten Szenarien verhalten, könnte er die Kurse eher stützen.

Auf die Schlusskurse am Freitag wird dann das Index-Revirement vollzogen, mit dem Aufstieg von Evotec, Krones, der Shop Apotheke und der Software AG in den MDAX. In den SDAX absteigen müssen Adtran, Aroundtown, United Internet und Siltronic. Evotec tritt gleichzeitig auch in den TecDAX ein und verdrängt dort die Aktien von Suse.

   Mercedes unter den Top-Five?

Auf die Schlusskurse wird auch der DAX neu verkettet. Das Index-Gewicht von SAP wird entsprechend des DAX-Regelwerks auf 10 Prozent gekappt, aktuell beträgt es gut 10,5 Prozent. Spannend wird sein, ob das Mercedes-Paket von Kuwait nun dem Streubesitz zugerechnet wird, nachdem Kuwait den Anteil an Mercedes Ende März auf weniger als 5 Prozent abgebaut hat und damit unter die Schwelle, die Fest- von Streubesitz unterscheidet. Sollte das gesamte Paket nun dem Streubesitz oder Free Float zugerechnet werden, könnte Mercedes die Deutsche Telekom als fünftgrößten DAX-Titel ablösen.

DJG/hru/raz

(END) Dow Jones Newswires

June 09, 2023 06:04 ET (10:04 GMT)