Geschichte der Börse Stuttgart
1853
Ferdinand von Steinbeis, Präsident der 1848 gegründeten Zentralstelle für Gewerbe und Handel (später Landesgewerbeamt), initiiert die Gründung einer Börse. Seine Bemühungen bleiben vorerst erfolglos.
4. Februar 1860
Vertreter von 57 Unternehmen aus Württemberg, Baden, Hohenzollern und Bayern, darunter vor allem bedeutende Textilunternehmen, gründen im Stuttgarter Königsbau einen Industriebörsenverein, der hier auch seinen Sitz hat. Initiatoren sind der Textilfabrikant Arnold Staub und Ferdinand von Steinbeis.
12. März 1860
Eröffnung der Warenbörse. Fortan findet am ersten Montag eines jeden Monats eine Börsenversammlung statt. Gehandelt werden vor allem Baumwolle, Baumwollgewebe und Farbwaren. Die Warenbörse präsentiert sich unter dem Namen „Stuttgarter Industriebörsen-Verein“ der Öffentlichkeit. Unabhängig von der Industriebörse wird eine Landesproduktenbörse für den Getreide- und Mehlgroßhandel gegründet. Beide Börsen werden im neu eröffneten Café Königsbau abgehalten.
29. Oktober 1860
Ein konstituierendes Komitee, bestehend aus namhaften Stuttgarter Privatbankiers, legt dem Ministerium des Innern ein Börsenstatut und eine Börsenordnung vor. Die Satzungen gelten für die Industriebörse und für die geplante Effektenbörse (Wertpapierbörse). Beide Börsen werden wenig später unter dem Namen „Börsenverein“ zusammengefasst.
11. Februar 1861
Die eigentliche Geburtsstunde der Wertpapierbörse Stuttgart: Gründung des „Stuttgarter Börsenvereins“ und Eröffnung der Vorgängerin der heutigen Baden-Württembergischen Wertpapierbörse. Anders als die Waren- und Industriebörse arbeitet die Wertpapierbörse als Tagesbörse, d. h. im Gegensatz zur Warenbörse findet der Handel täglich statt. Die Börsensitzungen der Industrie- und der Wertpapierbörse werden im Königsbau abgehalten. Beide Börsen haben in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens einen gemeinsamen Ausschuss. Der erste Präsident dieses Ausschusses und damit der Stuttgarter Börse ist Karl Freiherr Varnbüler von und zu Hemmingen. Die Konstituierung der Tagesbörse erfolgt auf Initiative und unter Beteiligung der wichtigsten Stuttgarter Banken wie Doertenbach & Co, Kaulla & Co, Pflaum, G. H. Keller‘s Söhne, Allgemeine Rentenanstalt (aufgegangen in der Wüstenrot & Württembergische AG) und Stahl & Federer. Die Börsensitzungen werden durch das Läuten einer Glocke um 14.00 Uhr eröffnet und ebenso nach einstündigem Handel wieder beendet. Auch Frauen können Mitglied des Börsenvereins werden, müssen sich aber bis 1921 im Börsensaal von Männern vertreten lassen. Bereits wenige Tage nach Eröffnung der Börse befinden sich im ersten inoffiziellen Kursblatt des Schwäbischen Merkur 71 Werte, darunter vor allem in- und ausländische Anleihen. Einheimische Aktienwerte sind die Kammgarnspinnerei Bietigheim, die Maschinenfabrik Esslingen, die Baumwollspinnerei und Weberei Ettlingen, die Kattun-Manufaktur Heidenheim sowie die d’Ambly AG. Auch Staatspapiere des Königreichs Württemberg spielen eine wichtige Rolle.
4. August 1865
Im Regierungsblatt des Königreichs Württemberg werden die gesetzlichen Grundlagen für die Börsen veröffentlicht.
1866
Erscheinen eines täglichen Börsenkursblattes, das von den maßgeblichen württembergischen Tageszeitungen abgedruckt wird. Bis 1874 werden 24 Aktiengesellschaften in Württemberg gegründet.
1869
Gründung der Württembergischen Vereinsbank, der ersten Aktienbank in Württemberg, die sich auf die langfristige Industriefinanzierung konzentriert. Sie ist eine der Rechtsvorgängerinnen der Deutschen Bank und spielte eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Stuttgarter Börse.
1871
Der Börsenverein setzt sich für die Gründung der Württembergischen Notenbank ein (ab 1935 Württembergische Bank, ab 1977 Baden-Württembergische Bank, heute LBBW).
1871
Im „Gründungsfieber“ nach dem Deutsch-Französischen Krieg und der Gründung des Deutschen Reichs entsteht auch in Württemberg eine Vielzahl neuer Aktiengesellschaften. Allerdings findet dieser Aufschwung mit der „Gründerkrise“ im Mai 1873 ein jähes Ende.
1874
Einführung einer Frühbörse von 11.00 Uhr bis 12.00 Uhr, die sich aber nicht durchsetzen kann.
1876
Der Börsenverein setzt sich für die Errichtung einer Hauptstelle der Reichsbank in Stuttgart ein.
15. Mai 1877
Verleihung der Eigenschaft eines öffentlichen Börsenvereins an den Stuttgarter Börsenverein. Der württembergische König Karl I. und die Stuttgarter Stadtverwaltung genehmigen eine Börsen- und Maklerordnung. Von nun an erkennen auch die Stuttgarter Gerichte die Kurse der Börse an.
1880
Die schwierige wirtschaftliche Situation seit den späten 1870er-Jahren wirkt sich so stark auf die Börsenumsätze aus, dass die Tagesbörse in Zahlungsverzug gerät. Die Mitglieder der Industriebörse trennen sich von der Tagesbörse. Die Industriebörse reorganisiert sich am 6. Dezember 1880 als Industrie- und Handelsbörse mit neuen Statuten. Sie will sich allen Zweigen der Industrie, des Handels und des Gewerbes öffnen. Ihre Sitzungen hält sie von nun an in der Liederhalle ab. Die Tagesbörse behält den Namen „Stuttgarter Börsenverein“ bei.
13. Januar 1881
Das erste Amtliche Kursblatt mit 44 notierten Werten wird veröffentlicht. Mit zwei Ausnahmen befinden sich darunter nur heimische Papiere.
6. Februar 1882
Beide Börsen tagen wieder in einem gemeinsamen Lokal, der Stuttgarter Gewerbehalle.