Chancen des Aktienmarktes nutzen

In keinem anderen EU-Land ist die Sparquote so hoch wie in Deutschland

Sparen, sparen, sparen: Seit Jahren kommen die sparsamsten Menschen EU-weit aus Deutschland. Selbst in der Corona-Krise legen die Deutschen Geld zur Seite. Ist damit die persönliche Vermögensbildung und Altersvorsorge gesichert? Weit gefehlt: Die hohe Sparrate der Deutschen spiegelt sich nicht in einem hohen Vermögensaufbau wider. Wesentliche Ursache ist ein niedriges Engagement im Aktienmarkt, wodurch Renditechancen ungenutzt bleiben. Sinkendes Vertrauen und Interesse an der Altersvorsorge gefährden die persönliche Alterssicherung. Die meisten Deutschen sehen die Börse vor allem als einen Ort mit vielen Risiken und haben Angst vor Verlusten.

Diesem Fehlurteil kann nur mit mutigen Schritten gerade aus der Politik begegnet werden: Das Altersvorsorgesystem bietet einen großen Hebel, um Menschen an den Kapitalmarkt heranzuführen – hier ist das Rentensystem des europäischen Vorreiters Schweden mit staatlichen Fonds mit hohem Aktienanteil ein exzellentes Beispiel. Außerdem muss die Finanzbildung der Deutschen gestärkt werden. Jeder ist gefordert, sich mit seiner Vermögensbildung und Altersvorsorge auseinanderzusetzen – ohne mutiges Handeln der Politik geht es aber nicht.

Smartes vs. hartes Sparen – die Deutschen sind zwar Top-Sparer, aber erzielen damit keine Top-Renditen

EU-weit liegt Deutschland mit einer durchschnittlichen Sparrate von 17,6% auf Platz 1 der Sparer (siehe Abbildung 1). Das entspricht im Durchschnitt circa 400 Euro pro Monat. Nach Großbritannien verzeichnen deutsche Haushalte außerdem das höchste Finanzvermögen. Sogar in der Corona-Krise wird in Deutschland nicht weniger gespart. Im Vergleich unter den europäischen Top 5 Sparern wird dabei aber ein geringer jährlicher Geldvermögensaufbau erzielt (Abbildung 2). Deutschland liegt trotz der hohen Sparrate deutlich hinter Schweden und den Niederlanden. Die Deutschen sparen zwar einen großen Teil ihres verfügbaren Einkommens, allerdings legen sie diesen nicht „smart“ an.

Grafik Weltspartag
Die Deutschen sind zwar Top-Sparer... (Abbildung 1)
Grafik Weltspartag Vermögensvergleich
... aber erzielen keine Top-Renditen (Abbildung 2)

Die Deutschen sind Aktienmuffel – wie der Vergleich mit anderen europäischen Nationen zeigt

Wo landet also das Ersparte der Deutschen? Und wie schaffen es Niederländer und Schweden bei einer geringeren Sparrate mehr Vermögen aufzubauen? Eine Ursache ist die Angst der Deutschen vor Aktien:

 EU-weit liegt Deutschland auf Platz 22 bei Investments in Aktien und Investmentfonds. Nur 22% des Geldvermögens der Deutschen ist in Aktien und Investmentfonds investiert. In Schweden liegt dieser Anteil bei 47%.
 Laut einer Umfrage der Postbank lagert gut jeder zweite Deutsche seine Ersparnisse auf einem Girokonto und über 20% zahlen in klassische Sparkonten ein. Was vor über einer Dekade vielleicht noch eine sichere und lohnende Anlage war, ist im Niedrigzinsumfeld nicht zukunftsfest.

Um auch im Alter den persönlichen Lebensstandard zu halten, ist ein Umsteuern bei der Vermögensbildung not-wendig. Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen? Das staatliche Altersvorsorgesystem in Schweden ist beispielsweise auf Aktieninvestments ausgerichtet und ermöglicht im Durchschnitt hohe Erträge.

Passivität der Deutschen im Kapitalmarkt resultiert oft aus Vorurteilen und fehlendem Wissen

Es bleibt die Frage, warum das „smarte“ Sparen hierzulande nicht bereits akzeptierter Standard ist? Zahlreiche Studien setzen sich mit dem Sparverhalten der Deut-schen auseinander. Wesentliche Gründe für die Zurückhaltung der Deutschen sind fehlendes Wissen und Fehlvorstellungen zur Aktie (siehe Zusammenfassung in Abbildung 4). Hier sind mutige Schritte erforderlich, um auch in Deutschland die Basis für eine nachhaltige Vermögensbildung zu schaffen.

Sinkendes Vertrauen und Interesse an der Altersvorsorge gefährden die persönliche Alterssicherung

Deutschland besitzt einen der höchsten Altersquotienten in Europa. In den nächsten 10 Jahren werden über 12 Millionen Babyboomer in Rente gehen. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen der Deutschen in die Altersvorsorge. Besorgniserregend ist zudem das sinkende Interesse an der eigenen Altersvorsorge: Jeder vierte Deutsche hat sich noch keine Gedanken über seine Altersvorsorge gemacht.

Weltweit stehen viele Länder vor der Herausforderung, ihre Altersvorsorgesysteme im Zuge des demographischen Wandels zukunftsfest zu gestalten. Ein staatliches Altersvorsorgesystem, das auf eine hohe Aktienquote setzt, nutzt die Renditechancen des Kapitalmarktes und führt mehr Deutsche an diesen heran. Der vom schwedischen Staat organisierte AP7 Fonds besitzt einen Aktien-anteil von 92%. Aktieninvestments sind so für die breite Bevölkerung in Schweden leicht zugänglich.

Grafik Weltspartag
Deutsche Aktienmuffel (Abbildung 3)
Grafik Weltspartag
Gründe gegen ein Aktien-Investment (Abbildung 4)

Unsere Forderungen: Ohne mutige Schritte aus der Politik geht es nicht

Aufgrund des demographischen Wandels ist das bisher überwiegende Umlageverfahren in Deutschland alleine nicht zukunftsfest. Notwendig ist eine Ergänzung des Umlageverfahrens durch ein Ansparverfahren mit Aktien. Beispiele für Reformkonzepte finden sich bei europäischen Vorreitern wie Schweden oder den Niederlanden. Leicht verständliche, kostengünstige Produkte wie der schwedische AP7 Fonds, die einen hohen Aktienanteil vorweisen, erleichtern den Zugang zum Kapitalmarkt. Das schwedische System setzt auf die Chancen des Kapitalmarkts mit der Möglichkeit zum Opt-out. Ein Großteil des Kapitals fließt so in die Wirtschaft und ermöglicht Innovationen und Wachstum.

Unsere 4 Forderungen an die Politik

Mutige Schritte zur Reform des staatlichen Altersvorsorgesystems mit dem Ziel, das Umlageverfahren durch ein Ansparverfahren mit Aktien zu ergänzen

Anreize für das langfristige Sparen mit Wertpapieren stärken, bspw. Wiedereinführung der Spekulationsfrist, höherer Sparerfreibetrag, gezielte staatliche Zuschüsse

Konsequente Beseitigung regulatorischer Regelungen, die Wertpapiere unattraktiv werden lassen, bspw. vereinfachter Beratungsprozess bei Banken und Sparkassen, erschwerte steuerliche Verlustverrechnung

Förderung der Finanzbildung gerade in der Schule, um Vorurteilen und fehlendem Wissen aktiv zu begegnen

Politische Überlegungen wie die geplante Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder die erschwerte Verrechnung von Verlusten bei bestimmten Anlageprodukten sind kontraproduktiv, um die kapitalmarkt-basierte Vermögensbildung und Altersvorsorge zu fördern. Vielmehr gilt es Anreize für das langfristige Sparen mit Wertpapieren zu setzen: Die Spekulationsfrist sollte wiedereingeführt werden und Veräußerungsgewinne so steuerfrei gestellt werden. Auch ein höherer Sparerfreibetrag und gezielte Zuschüsse für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen sind denkbar. Ein vereinfachter Beratungsprozess bei Banken und Sparkassen mit mehr Raum für Aufklärung ist elementar. So müssen überflüssige regulatorische Regelungen dringend beseitigt werden.

Neben der Politik müssen sich auch gesellschaftlich relevante Akteure einbringen: Nur durch Finanzbildung lassen sich unberechtigte Vorurteile gegenüber dem Kapital-markt abbauen. Die Corona-Krise und der damit verbundene Digitalisierungsschub hat gezeigt, dass Anleger bereit sind selbstbestimmter zu agieren. Hier möchte die Börse Stuttgart mit ihren Initiativen wie dem Anlegerclub, der Finanzplatzinitiative Stuttgart Financial, diversen Börsenseminaren und YouTube-Formaten den Weg hin zu einer besseren Finanzbildung in Deutschland unterstützen.