HINTERGRUND/Investoren sollten Hype-Faktor bei KI nicht verdrängen

(Dow Jones Newswires)

Von James Mackintosh

NEW YORK (Dow Jones)-Vorsicht ist wie stets Mutter der Porzellankiste. So sollten Anleger, die mit dem Gedanken spielen, in künstliche Intelligenz (KI) zu investieren, zunächst ein wenig Intelligenz walten lassen. Der Goldrausch, den der Chatbot ChatGPT ausgelöst hat, entwickelt sich schnell zu einer Mini-Blase. Und man muss nicht weit in die Geschichte zurückblicken, um zu sehen, wie schnell Wetten auf heiße neue Themen ein Portfolio belasten können.

In dieser Woche war der Chiphersteller Nvidia kurzzeitig mehr als 1 Billion US-Dollar wert, getrieben von der Begeisterung der Anleger über die Nachfrage nach seinen Chips durch die so genannte "generative KI", die Technologie hinter ChatGPT. Kleinere Aktien aus dem KI-Feld sind ebenfalls in die Höhe geschnellt, da die Anleger nach den großen Gewinnern des neuesten Trendthemas suchen.

Der Hype ist leicht zu verstehen. ChatGPT wurde im November einem ahnungslosen Publikum vorgestellt und erreichte innerhalb von zwei Monaten 100 Millionen Nutzer, was es zur am schnellsten wachsenden Verbraucher-Applikation aller Zeiten macht.

Natürlich wollen die Investoren die Unternehmen finden, die von der größten technologischen Entwicklung seit dem Internet profitieren. Dabei gibt es zwei Probleme. Das erste ist, dass KI wieder einmal überbewertet werden könnte. Und das zweite ist der Mangel an Investmentmöglichkeiten.

KI ist in mancherlei Hinsicht ein alter Schuh

KI ist sicherlich schon einmal überbewertet worden, während einer Welle des KI-Hypes in den frühen 1990er Jahren. Er erreichte 2010 einen neuen Höhepunkt, als bekannt wurde, dass IBMs Watson-System in der Lage ist, Menschen in der Quizshow "Jeopardy!" zu besiegen. Die IBM-Aktien katapultierten sich in die Höhe, als Watson 2011 den Wettbewerb gewann und auf den Markt gebracht wurde. Doch seit dem Höchststand kurz danach sind die IBM-Aktien um mehr als ein Drittel eingebrochen.

Der Hype-Zyklus könnte endlich den Punkt erreicht haben, an dem KI für die Verbraucher offensichtlich wird und nicht mehr nur Verbesserungen hinter den Kulissen bringt, wie zum Beispiel bei Alphabets Google Translator oder dem Kamera-Gesichtsfokus. Auf jeden Fall hat die KI die Phantasie der Öffentlichkeit in einer Weise beflügelt, wie es bei früheren Durchbrüchen nicht der Fall war - und sie hat auch die Aufmerksamkeit der Regulierungsbehörden auf sich gezogen.

Schwierige Suche nach den Gewinnern

Leider gibt es nur wenige börsennotierte Unternehmen, die sich mit KI beschäftigen. Wer werden die Gewinner der KI-Entwicklungen sein? Der offensichtliche Kandidat ist Nvidia, dessen Chips die Pickel und Schaufeln des KI-Goldrausches sind. Aber die Nvidia-Aktie ist in diesem Jahr bereits um satte 160 Prozent nach oben geschnellt und wird mit dem atemberaubenden 44-Fachen der geschätzten Gewinne gehandelt - selbst nachdem die Analysten ihre Schätzungen verdoppelt haben.

Nvidia muss nicht nur vom KI-Ansturm profitieren, sondern einen wirklich großen Gewinn einfahren - nur um zu rechtfertigen, wo die Aktie bereits steht. KI-Investoren haben sich auf den Rest der Big Tech gestürzt, sofern sie in Cloud-Dienste investieren oder ebenfalls stark Gelder in KI stecken. Infolgedessen haben sich die größten Tech-Aktien vom Rest des Marktes abgekoppelt, in dem in diesem Jahr mehr S&P-500-Aktien im Minus als im Plus liegen.

KI-Euphorie könnte wie Dotcom-Blase am Ende nur heiße Luft sein

Die Schwierigkeit, Investmentmöglichkeiten zu finden, zeigt sich auch bei den börsengehandelten KI-Fonds. Der größte ist Botz, der im vergangenen Monat Platz 19 bei den größten Zuflüssen aller von Factset beobachteten Indexfonds (ETF) aufwies, obwohl er es nicht einmal unter die Top 100 nach Größe geschafft hat. Er hat das gleiche Problem wie alle anderen, das dadurch etwas gemildert wird, dass der Großteil seiner Mittel in Robotik und nicht in KI investiert ist.

Die größte Position ist natürlich Nvidia, aber die beste Wertsteigerung in diesem Jahr liefert ein kleines Unternehmen namens C3.ai, dessen Aktie um 210 Prozent durch die Decke ging. C3.ai ist ein Klassiker für Anleger, die auf Themen setzen. Es versucht sich gerade am vierten Anlauf und hat bereits Geschäftsmodelle bei Kohlenstoffemissionen, Energiemanagement und "Internet der Dinge" hinter sich. Dabei änderte die Firma jeweils ihren Namen, bevor sie sich auf KI konzentrierte.

Wenn der Umsatz mit Verlusten erkauft wird

Investoren, die sich auf Wachstum konzentrieren, werden es lieben, da sich die Einnahmen in vier Jahren fast verdreifacht haben. Daran ändert auch nichts, dass die Aktien des Unternehmens nach leicht enttäuschenden Prognosen zuletzt eingebrochen sind. Anleger, die sich für das Unternehmen interessieren, sollten sich ansehen, was es ausgibt, um diese Umsätze zu erzielen. Im Jahr bis April 2019, also vor dem Börsengang, verzeichnete das Unternehmen Verluste von 36 Cent pro Dollar Umsatz, im vergangenen Jahr sogar knapp über 1 Dollar pro Dollar Umsatz.

Schlimmstenfalls probieren sie den alten Witz im wirklichen Leben aus, indem sie bei jedem Verkauf Geld verlieren, aber versuchen, dies durch das Volumen auszugleichen. Es bleibt dabei: Das Unternehmen hat die Fähigkeit, Abonnements in Profit umzuwandeln, noch nicht unter Beweis gestellt.

Die Wahrscheinlichkeit ist gegeben, dass der KI-Hype wieder einmal nur ein Hype ist. Wie bei der viel größeren Dotcom-Blase oder den jüngsten Mini-Blasen bei 3-D-Druck, sauberer Technologie, Kryptowährungen, Cannabis-Aktien und SPACs wird er so lange anhalten, wie der Hype anhält, und sich dann auflösen. Irgendjemand, irgendwo, wird sicher das große Geld mit KI verdienen, und viele Firmen werden ihre Produktivität verbessern. Aber mit Sicherheit werden nicht alle der derzeit angepriesenen Aktien zu den Gewinnern gehören, und vielleicht auch keine von ihnen.

Ein letztes Wort: Wer mit dem Gedanken spielt, einen Fonds zu kaufen, der mit Hilfe von KI die Aktien auswählt, sollte sich keine großen Hoffnungen machen. Der älteste dieser Fonds ist AIEQ, der AI Powered Equity ETF, der seit 2017 IBMs Watson nutzt, hat seit seiner Auflegung eine Rendite von 34 Prozent einschließlich Dividenden erzielt, gegenüber 82 Prozent für den S&P 500. Und bei Nvidia ist er untergewichtet.

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June 02, 2023 09:46 ET (13:46 GMT)